Fast wie in der Weihnachtsgeschichte: schwangere geflüchtete Frauen erhalten bei der Caritas in Reutlingen Beratung in der Muttersprache
Stuttgart/Reutlingen, 20. Dezember – Ursprünglich stammt Frau G. aus Syrien. Mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Söhnen ist sie nach Deutschland gekommen. Besser gesagt: geflohen. Erst in Deutschland merkt die 24-Jährige, dass sie schwanger ist. Der Bauch wölbt sich langsam. Zuhause würde ihr die Familie zur Seite stehen, Mutter, Schwiegermutter. In Reutlingen aber ist sie allein. Sie kennt keinen, lebt isoliert. Wenig Geld, eine völlig fremde Kultur. Zu viert wohnt die Familie in einem Zimmer. Hier soll sie ihr drittes Kind zur Welt bringen?
Ein Fall, der an die Weihnachtsgeschichte erinnert. Flucht, Schwangerschaft, kein wohliges Zuhause. Doch natürlich gibt es heute ein anderes Umfeld, greifen andere Strukturen. Es gibt Beratungsstellen, etwa die der Caritas in Reutlingen: Hier arbeitet in der Schwangerenberatung die Beraterin Jutta Birkhold mit der Familienhebamme Karima Azemal im Tandem zusammen. Tandem heißt: Die Beraterin ist Spezialistin beispielsweise für psychosoziale oder sozialrechtliche Fragen, die Familienhebamme für gesundheitsrelevante Fragen. So erhalten geflüchtete, schwangere Frauen alle relevanten Informationen aus einer Hand. In der Muttersprache. Denn Karima Azemal spricht arabisch und französisch. Sie ist Reutlingerin mit arabischem Migrationshintergrund. So können die Frauen in der Beratungsstelle in Reutlingen ihre Fragen stellen, hier werden sie verstanden. Hier kommen sie emotional an.
Die Schwangerenberatung hat die Frauen mit allen ihren wichtigen Beziehungen und Bezügen im Blick. „Wir decken in der Beratung die Probleme der ganzen Familie ab“, sagt Jutta Birkhold. Es gibt viele sozialrechtliche Fragen, die geklärt werden müssen. Wo wohnt die Familie, welche Formulare sind auszufüllen? Auch wenn es etwa Probleme mit einem älteren Kind gibt, verweist die Beraterin auf andere Angebote im Hilfesystem. „Traumatisierung ist ein großes Thema. Viele sind auf schwerem Weg hierhergekommen. In den Gesprächen fließen oft Tränen“, sagt Jutta Birkhold. Beim ersten Beratungsgespräch sei meist der Ehemann mit dabei. Nach und nach entwickle sich ein Vertrauensverhältnis und die Frauen kommen alleine. Dass Karima Azemal selbst Migrationshintergrund habe, erweise sich auch insofern als Pluspunkt, dass die Frauen in ihr ein Vorbild se-hen: „Sie erleben durch mich, dass es möglich ist, sich in Deutschland zu integrieren ohne die ei-gene Identität aufzugeben“, so Azemal.
Damit die Frauen sich bestmöglich in Reutlingen zurechtfinden, haben die beiden Tandem-Fachkräfte ein Frauencafé ins Leben gerufen. „Die Frauen haben auch nach der Geburt das Bedürfnis, mit der Beratungsstelle im Kontakt zu bleiben. Sie fühlen sich nämlich wegen der Sprache oft isoliert“, berichtet Jutta Birkhold. Das Frauencafé eignet sich bestens, um relevante Informationen zum Leben in Deutschland weitergeben zu können. Die Mütter erfahren hier, welche Rechte sie in Deutschland haben. „Wir wollen die Frauen darin unterstützen, selbständig zu werden und ihr Leben selbst zu gestalten“, so Birkhold. Mitunter geht es um praktische Tipps, etwa wie wichtig es ist, zuhause eine Hausapotheke anzulegen, und wie diese bestückt sein sollte. Thema ist auch, wie man mit wenig Geld mit Kindern die Sommerferien in Reutlingen verbringen kann. „Wir wollen die Frauen animieren, sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt Karima Azemal.
Gemeinschaften bilden. Integrieren. Beratend zur Seite stehen, wenn es darum geht, die nächste Hürde zu nehmen. Das Angebot kommt an und hat sich in der arabisch sprechenden Community als gute Sache rumgesprochen. Bei der Tandemberatung für Schwangere gibt es eine Warteliste. Beratungsgespräche werden nach Entbindungstermin vergeben.
Kontakt:
Katholische Schwangerschaftsberatung
Caritas-Zentrum Reutlingen
Telefon: 07121/1656-0
Email: reutlingen@caritas-fils-neckar-alb.de
Der Caritasverband Rottenburg-Stuttgart e.V. ist der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg engagiert er sich politisch für die Interessen von armen, benachteiligten und hilfebedürftigen Menschen und tritt gegen deren Ausgrenzung ein. Regional und landesweit vertritt er die Interessen von 1.740 katholischen Einrichtungen und Diensten in wichtigen Fragen pflegerischer und sozialer Arbeit. Insgesamt arbeiten unter seinem Dach 33.000 hauptamtliche und genauso viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In neun Caritasregionen bietet der Caritasverband soziale Dienstleistungen für Kinder, Jugendliche und Familien, alte und pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung, Arbeitslose, Wohnungslose, Menschen mit Fluchterfahrung oder mit einer Suchterkrankung an.
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