Neue Perspektiven für einen demokratischen Balkan?

(Lucas Schmidt – Optimus Redaktion) Wenn im Oktober 2014 in Bosnien und Herzegowina Wahlen anstehen, erwarten Europas Schlüsselstaaten, dass dies nicht nur innerpolitische Auswirkungen haben wird, sondern auch auf Nachbarstaaten Einfluss nimmt. Ausgehend von massiven Protesten in Bosnien und Herzegowina und auf Druck der vielen Demonstrationen sind schon jetzt viele Amtsinhaber des Landes zurückgetreten. Nun befürchten die Regierenden der Nachbarstaaten im Westbalkan, dass es sie als nächstes treffen könnte. Die Demonstranten sind vor allem mit der in der gesamten Region verbreiteten Korruption, der Diskriminierung und der hohen Arbeitslosigkeit unzufrieden, die zumeist die junge Bevölkerung betrifft.

Die kommende Regierung hat viel zu tun: Jeder zehnte Bewohner des Landes gilt als arm, viele Unternehmen sind pleite. Doch für öffentliche Investitionen, wie zum Beispiel in die Infrastruktur, fehlt das Geld. Zudem pocht der Internationale Währungsfonds auf einen Sparkurs und fordert eine umfassende Rentenreform, denn der größte Teil der sozialen Leistungen fließt in die Veteranenkasse. Trotzdem haben die Demonstranten Hoffnung auf eine bessere Zukunft und die soll vor allem demokratisch sein und neuen politischen Gesichtern eine Chance geben, sich zu profilieren und den Aufbau des Landes voranzutreiben. Mehr Demokratie würde Bosnien und Herzegowina auch den EU-Beitrittsverhandlungen einen Schritt näher bringen. Der Grundstein dafür wurde schon im Jahr 2008 mit dem üblichen und wichtigen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen gelegt. Nun schickt sich das Land an, noch vor 2020 vollwertiges EU-Mitglied zu werden. Dazu müsste aber schleunigst die wirtschaftliche Situation verbessert, demokratische Strukturen gestärkt und ethnische Spannungen abgebaut werden.

Basierend auf den Ergebnissen des Internationalen Workshops ‘Consolidation of Democracy in the Western Balkans’ an der Yasar Universität in Izmir (Türkei), der von der Friedrich Ebert Stiftung ausgerichtet wurde, präsentiert der Politikwissenschaftler Dr. Can Zeyrek in fünf Artikeln neue Perspektiven und Ergebnisse des Workshops von 2012. In Zusammenarbeit mit der angesehenen Demokratieforscherin Prof. Dr. Ursula Birsl von der Universität Marburg und den türkischen Politikwissenschaftlern Prof. Dr. Siret Hürsoy (Izmir), Prof. Dr. Nazif Mandaci (Izmir) und Dr. Inan Rüma (Istanbul) werden dabei einführend Konfliktbereiche genannt, die einen Demokratisierungsprozess in einem Vielvölkerstaat wie Bosnien und Herzegowina erschweren. Oft genug liegen ethnische Interessen vor zukunftsorientierter Politik und nationalistische Bewegungen müssen ausgebremst werden. Unter Bezugnahme des Konzepts der Systemtransformation des hochrangigen deutschen Politikwissenschaftlers Wolfgang Merkel erklären sich der Zusammenbruch des politischen Systems der Sowjetunion und die Demokratisierung der Nachfolgestaaten im Westbalkan. Entscheidend ist dabei die Rolle der NATO als externer Hauptakteur. Vor allem die Herausforderungen und Risiken nach dem Zerfall der Sowjetunion werden beleuchtet, sowie die Frage, welche Rolle die Organisation in der Zukunft laut Erklärung des Lissabonner NATO-Gipfels von 2010 einnehmen wird, beantwortet.

Es bleibt zu hoffen, dass die Wahlen in diesem Jahr ohne Zwischenfälle ablaufen. Bei der Wahl vor vier Jahren gab es Betrugsvorwürfe in zwei Fällen und die Regierungsbildung dauerte aufgrund von Spannungen zwischen den führenden bosniakischen, serbischen und kroatischen Parteien länger als ein Jahr. Erst nachdem die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds ihre Kreditzahlungen stoppten, konnte man sich auf eine neue Regierung einigen

Präsentiert werden aktuelle Forschungsergebnisse aus den Bereichen Systemtransformation und Autokratie auf dem Balkan. Dieses Buch ist das erste von voraussichtlich zwei weiteren Bänden in englischer Sprache. Aufgrund des leicht verständlichen Schreibstils ist es auch für Nicht-Muttersprachler geeignet.