Marburg (25. Mai 2012) Trotz vorhandener Mittel riskieren immer mehr Selbständige aufgrund mangelnder privater Vorsorge Altersarmut. Die Bundesregierung plant daher eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbständige.
Auch für Selbständige gilt: Das Absinken des Lebensstandards oder gar Altersarmut sind verdrängte Phänomene, die für immer mehr Betroffene zur tragischen Realität werden. Dabei besteht akuter Handlungsbedarf. Denn lediglich ein Viertel der rund 4,5 Millionen Selbständigen in Deutschland ist über die berufsständischen Versorgungswerke abgesichert oder über die gesetzliche Rentenversicherung pflichtversichert, wohingegen die große Mehrheit privat vorsorgen muss. Doch der Appell an die Eigenverantwortlichkeit verpufft oftmals ungehört oder wird sträflich unterschätzt.
Dabei sind sich viele Selbständige und Freiberufler der Risiken der Selbständigkeit durchaus bewusst. Nicht von ungefähr besitzen daher sehr viele von ihnen eine private Krankenversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei der Altersvorsorge jedoch scheint vielen die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer nachhaltigen privaten Anstrengung abhanden gekommen zu sein. Dies ist insofern verwunderlich, da das nötige Kapital zum Aufbau einer auskömmlichen Altersvorsorge zur Sicherung des Lebensstandards und aller möglicherweise darüber hinaus auftretenden Eventualitäten durchaus vorhanden wäre.
Die Ursachen für diese besorgniserregende Entwicklung sind vielfältig. So vernachlässigen Selbständige ihre private Altersvorsorge oftmals aufgrund der starken zeitlichen und emotionalen Einbindung in ihr Unternehmen, so dass Entscheidungen bezüglich der persönlichen Belange oftmals auf die lange Bank geschoben oder als nachrangig erachtet werden. Auch geben sich viele Selbständige und Freiberufler der trügerischen Hoffnung hin, dass sie aufgrund ihres Betriebsvermögens in der Zukunft eine ausreichende Altersvorsorge erwarten können. Dem stehen jedoch einige Faktoren entgegen, die oftmals nicht bedacht oder vernachlässigt werden. So kann die Kaufkraftentwicklung zukünftiges Vermögen entwerten, ebenso kann die zunehmende durchschnittliche Lebenserwartung den Verzehr des gesamten Ruhestandsvermögens vor dem tatsächlichen Ableben bedeuten. Und selbstverständlich kann auch das Worst-Case-Szenario eintreten: Die Insolvenz des eigenen Betriebs.
Doch auch ein recht pragmatischer Grund spielt eine wesentliche Rolle. Da viele Selbständige über kein festes monatliches Einkommen verfügen, sondern dies je nach Betriebsergebnis stark variieren kann, wird ein fixer wiederkehrender Kostenblock als Bürde empfunden. Das Ergebnis in der Summe ist gleichermaßen enttäuschend und bedenklich: Während die Mehrung des Betriebsvermögens jederzeit im Fokus der meisten Selbständigen steht, werden lediglich bis zu fünf Prozent ihres Vermögens direkt in eine Altersvorsorge angelegt.
So ist es kaum verwunderlich, dass die Bundesregierung zur Beseitigung dieses Notstandes Selbständige zur Altersvorsorge verpflichten möchte. Gemäß eines Eckpunktepapiers des Bundesarbeitsministeriums müssen Selbständige und Freiberufler ab 2013 nachweislich eine private Altersvorsorge beispielsweise in Form einer Lebensversicherung, einer privaten Rentenversicherung oder einer Rürup-Rente betreiben. Dabei sollen den Selbständigen innerhalb der Regelung ein Höchstmaß an Freiheit sowie großzügige Übergangsfristen zugestanden werden. Sollten die Betroffenen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, werden sie automatisch in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
Die verpflichtende private Altersvorsorge soll sicherstellen, dass die private Zusatzrente oberhalb des Niveaus der staatlichen Grundsicherung liegt. Dazu wären aktuell nach Auskunft des Ministeriums bei rund 45 Beitragsjahren monatlich ca. 250 bis 300 Euro zuzüglich Erwerbsminderungsrentenbeiträge aufzuwenden. Geltung soll die neue Regelung für alle Selbständigen finden, die bei Inkrafttreten des Gesetzes jünger als 30 Jahre sind. Für Selbständige im Alter zwischen 30 und 50 Jahren werden die Regelungen abgeschwächt, über 50-Jährige und geringverdienende Selbständige mit einem Einkommen von weniger als 400 Euro im Monat bleiben vom neuen Gesetz ausgenommen. Ebenfalls nicht betroffen sind Architekten, Ärzte und Rechtsanwälte in berufsständischen Versorgungswerken sowie Mitglieder der Künstlersozialkasse.
„In der jetzigen Form hätte die neue Regelung einen gravierenden Nachteil. Junge Gründer, die in den ersten Jahren der Selbständigkeit oftmals nicht die finanziellen Mittel haben, um die oben genannten Beträge regelmäßig aufbringen zu können, könnten vor existentielle Probleme gestellt werden. Hier besteht ohne Nachbesserung des Gesetzesvorhabens durchaus die Gefahr, dass der Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland unter einem Rückgang der Selbständigkeit insbesondere kreativer junger Menschen langfristig leiden könnte. Empfehlenswert wäre daher in den ersten Jahren eine stufenweise Heranführung der Jungunternehmer an die private Altersvorsorge. Grundsätzlich ist die Richtung des Gesetzesvorstoßes jedoch positiv zu werten. Die Verpflichtung zum Aufbau einer Altersvorsorge kann vor Altersarmut schützen“, so der Geschäftsführer der JuMaFinanz UG (haftungsbeschränkt), Marco Otterbein.
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