Kinderkrippenplatz: Entschädigung für Eltern bei Nichtgewährung eines Kinderkrippenplatzes

In seinem aktuellen Urteil hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Übernahme der Kosten der Selbstbeschaffung eines „Ersatzplatzes“ in der Einrichtung einer privaten Elterninitiative nach nicht rechtzeitiger Erfüllung des Rechtsanspruchs auf den Besuch des Kindes in einer Kindertagesstätte verlangt werden kann. Die Grundlage dafür bildet ein richterrechtlich im Jugendhilferecht anerkannter Kostenübernahmeanspruch im Falle der Notwendigkeit der Selbstbeschaffung nach rechtswidriger Versagung des Leistungsanspruchs.

Im Einzelnen müssen für einen solchen Kostenübernahmeanspruch der Eltern die folgenden Voraussetzungen gegeben sein.

Es muss eine entsprechende Antragstellung auf Erteilung eines Kinderkrippenplatzes bei der zuständigen Behörde vorliegen, d. h. eine Anmeldung gegenüber dem Jugendamt für den Wunsch zur Aufnahme des Kindes in eine Kindertagesstätte. Der Erfüllungsanspruch besteht zwar nicht im Hinblick auf eine bestimmte Einrichtung und wird als solcher auch nicht gegenüber einem Einrichtungsträger unmittelbar geltend gemacht, sondern besteht in einem Verschaffungsanspruch durch den für die Gewährleistung verantwortlichen Träger der Jugendhilfe, der Einrichtungen gewöhnlich nicht selbst unterhält, sondern lediglich die Aufgabe der Planung und Förderung wahrnimmt.

Der Anspruch besteht auf einen Platz für das Kind ab Vollendung des zweiten Lebensjahres „in zumutbarer Entfernung“ (§ 5 Abs. 1 KitaG Rheinland-Pfalz). Nach Absatz 2 der Bestimmung erstrecken sich die Verpflichtung und damit der Anspruch auf ein Angebot vor- und nachmittags.

Der in Anspruch genommene private Betreuungsdienst sollte auch dem Leistungsinhalt des staatlichen Rechtsanspruchs entsprechen, d.h. bei der Inanspruchnahme eines Krippenplatzes in einer privaten Elterninitiative (§ 25 SGB VIII) müssen gewisse qualitative Voraussetzungen erfüllt sein. Die Geeignetheit der für die Ersatzbeschaffung herangezogenen Einrichtung liegt z. B. vor, wenn die Gemeinde die Inanspruchnahme solcher Plätze selbst mit einem den Elternbeiträgen entsprechenden Betrag pro Monat fördert.

Schließlich ist erforderlich, dass die Selbstbeschaffung keinen zeitlichen Aufschub duldet, d. h. dringlich ist. Die Deckung des Bedarfs duldet keinen Aufschub, wenn zum Beispiel die Eltern beide berufstätig sind und eine anderweitige Betreuung des Kindes nicht sichergestellt werden kann.

Die Höhe der Kosten für den in Anspruch genommenen Ersatzplatz in der Elterninitiative darf schließlich nicht unangemessen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Maßstab nicht der Elternbeitrag für einen Kindergartenplatz sein kann, sondern die hohen Subventionskosten für einen solchen Platz im Blick auf Investitionen für die Einrichtung sowie die Personalkosten. Über den so genannten Mehrkostenvorbehalt hinaus ist bei der Angemessenheit ohnehin zu berücksichtigen, dass es nicht um die Berücksichtigung eines besonderen Wunsches der Sorgeberechtigten geht, sondern die Verweigerung der Erfüllung des Rechtsanspruchs mit ihren Folgen abgewendet wird.

Nach der gesetzlichen Lage steht der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz zunächst dem Kind zu, wie sich aus dem Wortlaut in § 24 Abs. 1 SGB VIII und § 5 Abs. 1 KitaG Rheinland-Pfalz ergibt („Kinder haben vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten“). Der Anspruch steht nach der gesetzlichen Konzeption nach Auffassung des Gerichts aber ebenso auch den sorgeberechtigten Eltern zu. Für die zugleich gesetzlich beabsichtigte Förderung der Eltern spricht der in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommende Förderungszweck. Zwar gilt die „Erziehung und Bildung“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 KitaG den Kindern selbst. Der Zweck der „Betreuung“ begünstigt aber zugleich die Sorgeberechtigten, die insoweit zum Teil entlastet werden. Im Übrigen spricht auch § 24 Abs. 4 SGB VIII davon, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe Eltern, die Leistungen unter anderem nach § 24 Abs. 1 „in Anspruch nehmen wollen„, zu informieren und zu beraten hat. Schließlich hat der Gesetzgeber die Ziele und Zwecke der Jugendhilfeplanung, die für die Gewährleistung des vorliegend fraglichen Angebots verantwortlich ist, in § 80 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII dahin bestimmt, dass „Einrichtungen und Dienste“ so geplant werden sollen, dass insbesondere „Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können“. Darin kommt zum Ausdruck, dass es angesichts der heutigen Lebensverhältnisse und der demografischen Entwicklung lebensfremd wäre, anzunehmen, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz diene nicht zuletzt auch der beruflichen Entfaltung der Eltern und der Vereinbarkeit von beruflicher Betätigung mit der Wahrnehmung der Elternverantwortung in der Familie.

Eltern deren Wohnortkommunen ab dem 1. August dieses Jahres den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht einlösen können, sollten daher prüfen lassen, inwiefern ihnen teilweise erhebliche Schadensersatzansprüche zustehen.

Eine Münchner Kanzlei bereitet derzeit zusammen mit dem Kita-Verein in den jeweiligen Gemeinden Musterklagen vor. Betroffene Eltern sollten sich daher mit dem Kita-Verein in Verbindung setzen.

Der Münchner Rechtsanwalt und Vorsitzende des Kita Vereins Prof. Dr. Volker Thieler hat bereits in 2012 das Buch „Die KITA-Klage: Rechtsansprüche von Eltern bei Nichtgewährung eines Kindertagesstättenplatzes: Zugang – Schadenersatz – Aufwendungsersatz“ geschrieben. Dort können sich Eltern über ihre Rechte und die Durchsetzung informieren. Das Buch ist im Alexandra Verlag erschienen.

 

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