Neuropathische Schmerzen: Versorgung Betroffener verbessern

Wien, 24. Oktober 2014 – Ein thematischer Schwerpunkt der 14. Österreichischen Schmerzwochen, der jährlichen Aufklärungsinitiative der Österreichischen Schmerzgesellschaft, sind neuropathische Schmerzen. „Ziel ist es, die Versorgung von Patienten mit Nervenschmerzen zu verbessern“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, Generalsekretär der Österreichischen Schmergesellschaft (ÖSG), Klinikum Klagenfurt am Wörthersee. „Denn diese besonders belastenden und quälenden chronischen Schmerzen unterschiedlichster Ursache werden in ihrer Dimension häufig unterschätzt, sind oft unterdiagnostiziert, unterbehandelt und belasten die Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften mit den Folgekosten von fehlender oder nicht angemessener Behandlung. Dafür müssen wir mehr Bewusstsein schaffen, damit betroffene Patienten rascher in den Genuss einer angemessenen Therapie kommen.“ Für welche der verfügbaren Behandlungsmethoden die wissenschaftliche Evidenz spricht, das zeigt jetzt ein neuer Behandlungsalgorithmus, der vor wenigen Tagen beim Schmerz-Weltkongress der IASP in Buenos Aires vorgestellt wurde.

Neuropathische Schmerzen: Weit verbreitet, oft spät diagnostiziert

Neuropathische Schmerzen gehören zu den häufigsten neurologischen Er¬krankungen überhaupt. „Zuverlässige Daten über die Häufigkeit neuropathischer Schmerzen fehlen in Österreich, doch können wir auf Basis verschiedener Untersuchungen davon ausgehen, dass etwa fünf bis sechs Prozent der Bevölkerung an dieser Form von Schmerzen leiden“, so der ÖSG-Generalsekretär. „Das bedeutet auf Österreich umgelegt zwischen 400.000 und 500.000 Betroffene, viele von ihnen dürften allerdings nicht korrekt diagnostiziert sein.“

Dass es Defizite in Diagnostik und Behandlung gibt, dafür spricht unter anderem, dass laut Deutschem Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz 20 Prozent aller Patienten, die eine schmerztherapeutische Spezialeinrichtung aufsuchen, unter unzureichend therapierten neuropathischen Schmerzen leiden. Prof. Likar: „Viele Patienten haben zwischen drei und fünf Jahre lang neuropathische Schmerzen, bevor sie eine korrekte Diagnose erhalten. Im Durchschnitt werden sechs bis sieben Ärzte aufgesucht, bevor die Diagnose neuropathischer Schmerz gestellt wird.“

Ein großes Problem stelle auch der hohe Anteil an Komorbiditäten dar, so der Experte. „Einer österreichischen Untersuchung zufolge leiden 60 Prozent der Betroffenen auch an Schlafstörungen, 34 Prozent an Depressionen und 25 Prozent an Angststörungen. Diese Komorbiditäten werden jedoch häufig unzureichend diagnostiziert und auch in ihrer Bedeutung bezüglich Lebensqualität des Patienten unterschätzt.“

Vielfältige Ursachen

Neuropathische Schmerzen entstehen als direkte Folge einer Schädigung oder Läsion somatosensorischer Nervenstrukturen und unterscheiden sich damit von nozizeptiven Schmerzen als der anderen großen Gruppe chronischer Schmerzen, bei denen die neuronalen Strukturen prinzipiell intakt sind. Verursacht werden die meisten neuropathischen Schmerzen durch Schädigung des peripheren Nervensystems oder seltener durch zentrale Schmerzsyndrome. „Studien zeigen, dass etwa ein Fünftel aller Patienten nach Operationen langanhaltend unter neuropathischen Schmerzen leiden. Von Phantomschmerzen sind etwa 60 Prozent aller Menschen, die an Gliedmaßen amputiert wurden, betroffen“, sagte Prof. Likar. „Besonders belastende neuropathische Schmerzen sind Gesichtsschmerzen wie Trigeminusneuralgien oder tumorbedingte Neuropathien. Zu den häufigsten Polyneuropathien gehören die diabetische Polyneuropathie mit einer Prävalenz von 13 bis 54 Prozent, die Alkohol-bedingte Polyneuropathie, die 10 bis 38 Prozent der Menschen mit chronischen Alkoholabusus betrifft, oder Polyneuropathien aufgrund von Medikamenten wie Chemotherapien.“ Weitere wichtige Ursachen neuropathischer Schmerzen sind Virusinfektionen, zum Beispiel Gürtelrose oder HIV. Verbreitete zentrale Neuropathien betreffen beispielsweise Menschen mit Multipler Sklerose oder Patienten nach Schlaganfällen.

Diagnostik verbessern

Um eine Chronifizierung zu vermeiden, sollten neuropathische Schmerzen so früh und so konsequent wie möglich behandelt werden. „Neuere Studienergebnisse zeigen, dass die unterschiedlichen neuropathischen Schmerzen nicht miteinander vergleichbar sind und wir daher noch genauer überprüfen müssen, um welche Form es sich handelt, um die optimale Therapieentscheidung treffen zu können“, so Prof. Likar. „In diesem Zusammenhang wird es auch wichtig sein, der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Vor allem in Schmerzzentren sollte diese, so wie es in Deutschland bereits üblich ist, standardisiert vorgenommen werden.“

Prinzipien der Therapie

Die Therapie neuropathischer Schmerzen unterscheidet sich maßgeblich von der Therapie anderer chronischer Schmerzen. So wirken viele „klassische“ Schmerzmittel wie etwa nicht-steroidalen Antirheumatika, Paracetamol oder Metamizol hier nicht. Prof. Likar: „Entsprechend behutsam und auch zeitintensiv ist die Suche nach dem jeweils wirksamen und verträglichen Medikament. Häufig erweist sich der neuropathische Schmerz auch als therapierefraktär bezüglich einer Methode, erfordert Kombinationstherapien oder letztlich invasive Verfahren.“

Wünschenswert wäre zunächst die Einleitung einer kausalen Therapie der zugrundeliegenden Ursachen, was aber gerade bei neuropathischen Schmerzen nur selten möglich ist. Ebenso wichtig wie die Schmerzreduktion ist auch die Behandlung vorhandener Komorbiditäten, beispielsweise der Schlafstörungen, zur Verbesserung der Lebensqualität Betroffener.

Neuere Optionen für die symptomatische medikamen¬töse Therapie neuropathischer Schmerzen stellen topische Anwendungen mit Lidocain- oder Capsaicn-Pflastern und als Ergänzung auch Botulinumtoxin A für spezielle Formen peripherer neuropathischer Schmerzen dar. Unter den systemisch wirkenden Medikamenten spielen Antiepiletika wie Gabapentin oder Pregabalin eine wichtige Rolle, die primär die neuronale Übererregbarkeit im Rückenmark verringern. Aus der Gruppe der Antidepressiva, die vor allem die Schmerzhemmung verbessern, werden trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin eingesetzt, und vor allem Selektive Serotonin Noradrenalin Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI) wie beispielsweise Venlafaxin, Mirtazepin, Duloxetin und Milnacipran. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) sind hingegen weniger wirksam. Opioide werden vor allem bei zentralem neuropathischem Schmerz verwendet. Der Einsatz von Cannabinoiden wird kontroversiell diskutiert, da die Evidenz für die Behandlung des neuropathischen Schmerzes mit diesen noch gering ist. Wird mit medikamentösen Möglichkeiten keine zufriedenstellende Schmerzreduktion erreicht, stehen interventionelle oder invasive Methoden zur Verfügung, zum Beispiel neuromodulative Verfahren, periphere Nervenblockaden oder Schmerzpumpen.

Neuer Therapie-Agorithmus

Auf dem Schmerz-Weltkongress der IASP in Buenos Aires wurde kürzlich ein neuer Therapiealgorithmus vorgestellt, der auch neuere Daten und Erkenntnisse berücksichtigt. Ziel ist eine noch spezifischere Behandlung betroffener Patienten abhängig von den individuellen zugrundeliegenden Schmerzursachen.

„Eine starke Empfehlung wird weiterhin abgegeben für Pregabalin, Gabapentin, trizyklische Antidepressiva und Antidepressiva aus der Substanzklasse der SSNRI, eine schwache für Kombinationen mit dem Opioid Tramadol, Lidocain- oder Capsaicin-Pflaster, ebenso wie für andere Opioide und in speziellen Fällen peripherer neuropathischer Schmerzen Botulinumtoxin A“, fasste der Experte die wesentlichen Neuerungen zusammen.

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