Fortschritte in der Früherkennung von Alzheimer-Demenz

EFNS/ENS Joint Congress of European Neurology: 31. Mai – 3. Juni 2014, Istanbul

Alle sieben Sekunden erkrankt weltweit ein Mensch an Alzheimer. Demenz-Erkrankungen belasten die europäischen Volkswirtschaften mit mehr als 100 Milliarden Euro jährlich, Fortschritte gibt es vor allem bei der Früherkennung und immer besseren Diagnostik der Erkrankung, nicht zuletzt durch die Identifikation aussagekräftiger Biomarker, berichteten Experten/-innen auf dem Joint Congress of European Neurology in Istanbul.

Istanbul, 2. Juni 2014 – „Demenz ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem in den kommenden 30 Jahren. Das ist eine Herausforderung für alle Gesundheitssysteme in Europa und betrifft in einem hohen Maße die Neurologie, da Demenz in Zukunft die signifikanteste Erkrankung des Gehirns sein wird“, betonte Prof. Philip Scheltens, Freie Universität Amsterdam, auf dem Joint Congress of European Neurology in Istanbul.

Laut WHO litten 2010 weltweit 35,6 Millionen Menschen an einer Form der Demenz, Schätzungen gehen von einer Verdreifachung bis 2030 aus. Den aktuellen Daten des European Brain Council zufolge leben in Europa 6,3 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Die durch Demenzerkrankungen entstehenden Kosten werden in Europa – eingeschlossen sind in die Berechnung die 27 EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen und Island – laut European Brain Council mit 105,2 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form von Demenz. Sie ist für 60 bis 80 Prozent aller Demenzen verantwortlich. Weltweit wird alle sieben Sekunden ein neuer Fall registriert, jährlich steigt die Zahl der Betroffenen um rund 4,6 Millionen an.

Wichtiger Stellenwert für Früherkennung und Prävention

Die Frage nach der Prävention und Früherkennung von Demenzerkrankungen, insbesondere der Alzheimer-Demenz (AD), ist ein wichtiger Schwerpunkt auf dem Neurologie-Kongress in Istanbul. „Wir leben in einer aufregenden und herausfordernden Zeit, was die Alzheimer-Forschung betrifft. Auf vielen Ebenen bekommen wire in immer besseres Bild der Erkrankung, allerdings ist e suns immer noch nicht gelungen, therapeutisch in den Krankheitsverlauf einzugreifen oder ihn zu stoppen. Daher wird der Prävention verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. Wichtige Fortschritte in der jüngsten Demenzforschung sind aber vor allem bei der Diagnose der Erkrankung zu verzeichnen“, so Prof. Scheltens. Da immer mehr Biomarker der verschiedenen Demenzformen bekannt werden, nähert sich die Differenzialdiagnose von Alzheimer und anderen Demenzen einer Diagnose im Frühstadium an, in dem die kognitiven Beeinträchtigungen noch gering sind.

Leichte kognitive Störungen („mild cognitive impairment“, MCI) gelten als ein Übergangsstadium von einem normalen Alterungsprozess hin zur AD. Nicht alle von MCI Betroffenen entwickeln aber eine Alzheimer Erkrankung. Prof. Scheltens: “Wenn wir in einem früheren Stadium abschätzen könnten, ob sich leichte kognitive Störungen zu Alzheimer entwickeln werden, könnten wir sie früher und vielleicht auc h effektiver behandeln.”

Biomarker im Einsatz für die MCI-Diagnose

Wie Biomarkern von Alzheimer-Zentren in Europa in der Frühdignostik von MCI eingesetzt werden, zeigt eine Studie des European Alzheimer’s Disease Consortium (EADC), die auf dem Kongress in Istanbul präsentiert wurde. „Die am EADC beteiligten Zentren nutzen Biomarker für die ätiologische Diagnose von leichten kognitiven Störungen. Es besteht weitgehende Übereinstimmung unter den befragten Behandlern, dass eine Kombination von Biomarkern, die Amyolid-Ablagerungen anzeigen, und solchen, die auf neuronale Schädigungen hinweisen, eine überzeugende Signatur für die Alzheimer-Krankheit sind“, so Studienautorin Martina Bocchetta (Universität Brescia, Italien). Der Studie zufolge ist ein Bildgebungs-Biomarker, die Darstellung von Atrophie des Medialen Temporallappens (visually rated MTA) mit 75 Prozent der am häufigsten verwendete Biomarker, gefolgt von der Messung von Tau-Proteinen und Beta-Amyloid in der Rückenmarksflüssigkeit (CSF Marker) mit 25 Prozent.

Alzheimer-Diagnose anhand von microRNAs

Dass zirkulierende microRNAs (miRNA) für die Diagnose der Alzheimer-Krankheit künftig an Bedeutung gewinnen könnten, zeigt eine Studie aus Mailand, die auf dem Kongress in Istanbul präsentiert wurde. MiRNAs sind kleine Moleküle im Körper, die an der Abschaltung von Genen auf verschiedenen Ebenen beteiligt sind. „Unsere Ergebnisse deuten auf eine mögliche Verwendung zirkulierender miRNAs gemeinsam mit anderen Markern als nichtinvasive, verhältnismäßig kostengünstige und periphere Biomarker für die Alzheimer-Diagnose hin“, berichtete Studienautorin Dr. Daniela Galimberti.

Für die Studie wurde eine spezifische PCR-Sequenz mit 84 miRNAs für ein Screening des miRNA-Serumspiegels bei Alzheimer-Patienten/-innen sowie Kontrollpersonen verwendet. Bei Alzheimer-Patienten/-innen zeigten sich signifikant niedrigere Werte bei einer Reihe der getesteten RNAs, darunter miR-125b, miR-223, miR-23a oder miR-26b.

FDG-PET zur Verlaufserfassung leichter kognitiver Störungen

Den Nutzen von FDG-PET als Biomarker für die Progression von leichten kognitiven Störungen (MCI), unabhängig von einer Amyloid-Ablagerung, zeigt eine weitere auf dem Joint Congress of European Neurology präsentierte europäische Studie, an der auch Prof. Scheltens mitwirkte.

Mittels Positronenemissionstomographie (PET) können dreidimensional Radioaktivitätsverteilungen in Geweben räumlich dargestellt und quantifiziert werden. Bei der FDG-PET wird ein radioaktiv markiertes Glukoseanalogon verwendet. „Ein kleiner Teil der MCI-Patienten/-innen weist eine Neurodegeneration auf, ohne dass es zu den für die AD typischen Amyolid-Ablagerungen kommt“, so Prof. Scheltens. Ziel der Untersuchung war es, Biomarker als Prädikatoren für die Prognose dieser „suspected non-AD pathophyiology“ (SNAP) zu identifizieren. „Die Studie legt nahe, dass SNAP mit einem spezifischen Progressionsrisiko verbunden ist.“

Quellen:
Kongress-Abstracts Bocchetta et al., The use of biomarkers for the etiologic diagnosis of mild cognitive impairment in Europe: a survey of the European Alzheimer’s disease consortium; Abstract Galimberti et al., Circulating and intrathecal miRNAs as potential biomarkers for Alzheimer’s disease; Abstract Frisoni et al., Mild cognitive impairment with suspected non AD pathology (SNAP): prediction of progression to dementia; Andere: www.brainfacts.org/Policymakers/Brain-Disease-in-Europe; Olesen J et al.: The economic cost of brain disorders in Europe. European Journal of Neurology 2012, 19: 155-162

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