Die positiven Beiträge der EU zu Public Health wurden überschattet von den Auswirkungen des Binnenmarkts und der gemeinsamen Fiskalpolitik auf die Gesundheit der Europäer/-innen. Public Health stieg dabei nicht gut aus – doch das muss nicht so bleiben, sagte der US-Gesundheitspolitik-Experte Scott L. Greer auf dem EHFG. Public Health-Expertise sollten in die Mechanismen der Budget- und Finanzpolitik einfließen, vor allem durch evidenzbasierte Argumente für Investitionen in die Gesundheit.
Bad Hofgastein, 1. Oktober 2014 – „In den letzten 20 Jahren, seit im Maastricht-Vertrag erstmals ein gesundheitspolitisches Mandat festgeschrieben wurde, hat die Europäische Union Gesundheitspolitik in einem Ausmaß mitgestaltet, das wohl kaum jemand erwartet hat. Doch die positiven Beiträge der EU in Sachen Public Health wurden zuletzt überschattet von den Auswirkungen, die der Binnenmarkt und die gemeinsame Fiskalpolitik auf die Gesundheit der Europäer/-innen haben“, sagte Prof. Dr. Scott L. Greer (Universität Michigan) heute auf der Eröffnungspressekonferenz des European Health Forum Gastein (EHFG). „Public Health stieg dabei nicht gut aus, aber das muss nicht so bleiben. So wie stets in Zusammenhang mit der europäischen Integration muss die Antwort auf eine potentiell schlechte EU-Politik mehr Engagement für eine bessere EU Politik lauten.“
Bis 2010 sei die Richtung der EU-Gesundheitspolitik als durchaus positiv zu sehen, von der Einrichtung des „European Centre for Disease Prevention and Control“ (ECDC) über Erfolge im Bereich Onkologie bis hin zum Ausschluss von Gesundheit aus der Dienstleistungs-Richtlinie oder die Regelungen zur Patientenmobilität, betonte Prof. Greer. „Abgesehen von einigen spezifischen Bereichen von EU-Kompetenzen, die durch das Gesundheitsmandat geschaffen wurden, zum Beispiel Blutsicherheit, verpflichten die Verträge zwar die EU dazu, Gesundheit zu berücksichtigen. Gleichzeitig wird aber klargestellt, dass die Union keine Rolle in der Organisation und Finanzierung der Gesundheitsversorgung zu spielen hat. Innerhalb dieser Vorgaben beruht die EU-Gesundheitspolitik vorwiegend auf Förderungen, was Grenzen hat. Die beachtlichsten Erfolge der EU sind wahrscheinlich die Förderung der Krebsforschung und die Entwicklung von Maßnahmen bei übertragbaren Krankheiten sowie die Bereitstellung von Ressourcen für das ECDC. In diesen Bereichen haben vergleichsweise kostengünstige EU-Maßnahmen einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheitspolitik in ganz Europa genommen“, meinte Prof. Greer.
Fiskalpolitik beeinflusst Gesundheitssysteme
Seit 2010 habe sich jedoch die Situation radikal verändert, so Prof. Greer: „Die EU beeinflusst jetzt gesundheitspolitischer Entscheidungen massiv, aber nicht weil das Gesundheitsmandat im Vertrag ausgeweitet worden wäre, sondern wegen der Ausweitung der EU-Fiskalpolitik auf das Gesundheitswesen. Die EU ist zum gesundheitspolitischen Player geworden, weil Gesundheit kostspielig ist und die EU nun die Einhaltung der Fiskalvorschriften überwacht.“ Die wirtschaftlichen Anpassungsprogramme („Economic Adjustments Programmes“, EPA) der „Troika“ für die von der Zahlungsbilanzkrise am härtesten betroffenen Länder enthalten eine Reihe spezifischer gesundheitspolitischer Empfehlungen: etwa eine Änderung des Gesundheitsfinanzierungssystems in Zypern oder die Empfehlung an Griechenland, elektronische Rezepte („e-prescribing“) einzuführen. Das gilt auch für die Empfehlungen des „Europäischen Semesters“, dem Mechanismus wirtschafts- und finanzpolitischer Koordination innerhalb der EU, der sich zuletzt vermehrt mit Reformen nationaler Gesundheitssysteme beschäftigte. „Finanzpolitische Rigorosität, nicht Gesundheit ist der Auftrag dieses neuen Überwachungsmechanismus der EU“, bilanziert Prof. Greer. „Es gibt wenig Hinweise, dass die EAP oder die Fiskalpolitik Public Health als politisches Ziel sehen.“
Wie also soll Public Health im Rahmen der künftigen EU-Politik gestärkt werden? Prof Greer: „Die Antwort lautet: Engagement für eine bessere Politik. Die spezifischen Vorschläge für eine Reform von Gesundheitssystemen in den wirtschaftlichen Anpassungsprogrammen oder im Rahmen des Europäischen Semesters werden häufig in europäischen Fachbeiräten oder Ausschüssen behandelt, die Anregungen für Maßnahmen entwickeln. Sie sind daher die beste Gelegenheit, Public Health-Expertise in die Mechanismen der Budget- und Finanzpolitik einzubringen und dabei seriös und evidenzbasiert für Investition in die Gesundheit zu argumentieren.“
„Electing Health – The Europe We Want“ ist das Motto des diesjährigen EHFG. Rund 600 Teilnehmer/-innen aus mehr als 50 Ländern nutzen Europas wichtigste gesundheitspolitische Konferenz in Bad Hofgastein zum Meinungsaustausch über zentrale Fragen europäischer Gesundheitssysteme. Die zukünftige Richtung der europäischen Gesundheitspolitik ist das Schwerpunktthema des Kongresses.
EHFG Press Office
Dr. Birgit Kofler
B&K Kommunikationsberatung GmbH
Telefon während der Konferenz: +43 6432 85105
Mobil: +43 676 636 89 30
Telefon: Wiener Büro: +43 1 319 43 78 13
Email: press@ehfg.org