Besonders belastende Vorwürfe: Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung

Der Vorwurf eines Sexualdelikts belastet den Beschuldigten besonders schwer, weil schon die reine Anschuldigung den Betroffenen gesellschaftlich ächtet, unabhängig davon, ob sich der (schnell) erhobene Vorwurf im Laufe der Ermittlungen als falsch herausstellt oder es schließlich zur Anklage oder sogar zu einer Verurteilung kommt.

Besonders sensibel sind solche Fälle, in denen eine Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 StGB) oder ein sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB) oder sogar ein besonders schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176a StGB) Gegenstand der Anschuldigung ist.

Anschuldigung häufig überraschend

Die Betroffenen sind von einer Vorladung zur Polizei oder sogar der Vollstreckung eines Haftbefehls zur Untersuchungshaft regelmäßig vollkommen überrascht. In den Papieren zur Vorladung oder im Haftbefehl sind nicht selten Tatzeiten genannt die bereits viele Monate oder sogar viele Jahre zurückliegen. Umso schwerer fällt es dem Beschuldigten in diesen Fällen, sich an die vermeintliche Tatzeit zu erinnern und nachvollziehen und darlegen zu können, wo er zu diesem Zeitpunkt (tatsächlich) war.

Deliktsfeld mit vielen falschen Beschuldigungen

Im Bereich der Sexualdelikte ist die Zahl der falschen Anschuldigungen hoch. Hierzu liegen verschiedene Einschätzungen in der ganzen Republik vor. Hierzu titelte die Ostsee-Zeitung schon im Jahr 2015:
„Acht von zehn Vergewaltigungen sind vorgetäuscht – Die Kriminalpolizei in Rostock ermittelt mit hohem Aufwand. Doch die Mehrzahl der angezeigten Fälle von sexuellem Missbrauch sind erfundene Geschichten.“
( http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Rostock/Acht-von-zehn-Vergewaltigungen-sind-vorgetaeuscht).
Ähnliche Töne sind auch einer Studie im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium des Inneren aus dem Jahr 2005 mit dem Titel „Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern“ zu entnehmen. Dort äußerte ein Kommissariatsleiter im Zusammenhang mit der studienseitigen Aktenanalyse:
„Alle Sachbearbeiter von Sexualdelikten sind sich einig, dass deutlich mehr als die Hälfte der angezeigten Sexualstraftaten vorgetäuscht werden. Viele angezeigte Fälle lassen zwar die Vermutung einer Vortäuschung bzw. falschen Verdächtigung zu, berechtigen jedoch nicht zu einer entsprechenden Anzeige.“ ( http://www.polizei.bayern.de/content/4/3/7/vergewaltigung_und_sexuelle_n_tigung_in_bayern_bpfi.pdf).
Aus der Studie selbst heißt es hierzu:
„Aus Sicht der ermittelnden Polizei-/Kriminalbeamten muss bei Vorgängen, die als Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung angezeigt werden, selbstverständlich immer auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass es sich um ein Vortäuschen oder eine falsche Verdächtigung handeln kann.“
( http://www.polizei.bayern.de/content/4/3/7/vergewaltigung_und_sexuelle_n_tigung_in_bayern_bpfi.pdf).

Auch aus der Rechtsmedizin kommen letztlich ähnliche Einschätzungen zu Gewaltverbrechen insgesamt, insbesondere aber auch zu Vergewaltigungsvorwürfen und zwar sogar hinsichtlich möglicher Selbstverletzungen durch das vermeintliche Opfer. Über den so genannten Kachelmann-Prozess beichtete die Zeit Online:
„1000 bis 1500 Geschädigte aus ganz Norddeutschland stellen sich den hanseatischen Medizinern pro Jahr vor, unter ihnen bis zu 150 Frauen, die angeben, vergewaltigt worden zu sein. Bedauerlicherweise, sagt Püschel [Facharzt für Rechtsmedizin und Institutsdirektor am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Rechtsmedizin, Anm. d. Uz.] zu den Mannheimer Landrichtern, habe man in den letzten Jahren einen starken Anstieg sogenannter Fake-Fälle verzeichnen müssen, bei denen Personen sich selbst zugefügte Wunden präsentieren und behaupten, einem Verbrechen zum Opfer gefallen zu sein. Früher sei man in der Rechtsmedizin davon ausgegangen, dass es sich bei fünf bis zehn Prozent der vermeintlichen Vergewaltigungen um Falschbeschuldigungen handelte, inzwischen aber gebe es Institute, die jede zweite Vergewaltigungsgeschichte als Erfindung einschätzten.“
( https://www.zeit.de/2011/09/WOS-Kachelmann/seite-3)
Letztlich bestätigen auch Forschungsergebnisse diese Stimmen; das Kriminologische Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) untersuchte Fälle aus dem Jahr 2012 und kam zu dem Ergebnis, dass nur 8,4% aller angezeigten Sexualdelikte zu einer Verurteilung führten. Der Anteil von 91,6 % hat sich daher offenbar als falsch, nicht ermittelbar oder nicht ausermittlungswürdig erwiesen.

Situation für den Betroffenen
Das alles macht die Situation für denjenigen, gegen den ein solcher Vorwurf erhoben wird aber noch nicht besser. In den häufigen Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, kommt es letztlich entscheidend darauf an, wie glaubhaft das (vermeintliche) Opfer ist.
Bei der Entlarvung von falschen Anschuldigungen kommt es entscheidend auf die Analyse der Behauptungen des vermeintlichen Opfers an. Vor allem dann, wenn eine Vernehmung vor Gericht stattfindet, kommt es entscheidend darauf an, das Opfer angemessen zu befragen, um etwaige Falschbehauptungen aufzudecken.

Zu Unrecht Beschuldigte sollten sich umgehend an für Strafrecht spezialisierte Rechtsanwälte wenden, rät der bundesweit tätige Rechtsanwalt und Strafverteidiger Nil Schiering aus Hamm, und gegenüber der Polizei keine Aussage machen. Erst nach sorgfältigem Studium der Ermittlungsakte kann eine Verteidigungsstrategie erarbeitet und der Beschuldigte bestmöglich verteidigt werden.

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Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht Leonid Ginter
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